[Der Darpatische Landbote]Numero 11 (Hes. 1022 n.B.F./29 Hal/Jun 1999), S.17

Gluckenhang

Literaturliste


Die Ehre darpatischen Weines ...

Erwartungsvoll sahen alle den langen Zug sich zur Burg Sturmfels hinaufwinden. Knechte und Mägde standen bereit, und auch einige der horasischen Edlen wanderten ungeduldig auf und ab. Vier Wagen! War denn die Ernte trotz Krieg und Verwüstung so gut ausgefallen?

Nur wenigen fiel auf, daß nicht das garether und nicht das darpatische Wappen die Eskorte des vierten Ochsenkarrens zierte, allen jedoch, daß diesmal zwei Weibel den Zug zu begleiten schienen, ein alter Kämpe mit Binde über einem Auge und eine jüngere Frau, die offensichtlich keineswegs aus demütiger Bescheidenheit die Worte des Ersteren an den Heermeister der Edlen abwartete. Auffällig waren auch die verwundert-fragenden Blicke des Signors auf die Frau und deren eigene in die Runde der versammelten Adligen.

Als der Weibel des Fouragierzuges geendet hatte, trat Signor Teucras auf die fremde Frau zu und küßte ihr die Hand.
»Seid willkommen, Euer Hochgeboren. Doch sagt selbst, was führt Euch hierher?« -
»Ich danke Euch, Signor de Solstono. Der Segen der Götter mit Euch.«
Sie hatte laut genug gesprochen, daß die Umstehenden es hörten, und ihr Blick in die Runde zeigte, daß der 'Segen' wohl allen gegolten hatte.
»Zuweilen finden auch Schriften aus Eurem Land nach Darpatien. Und so las ich in einer davon, daß Eure Verpflegung zu wünschen übriglasse. Nun wohl, die köstlichen Braten früherer Zeiten vermag Euch Gluckenhang zwar nicht zu bieten, aber ich denke doch, daß Euch wenigstens mein »Schönhager« besser munden wird als das, was Euch anscheinend bisher als »Wein« angeboten wurde!« und mit weit ausholender Geste deutete die Baronin - denn keine and're war's als Selinde von Gluckenhang - auf die Fässer, die bereits abgeladen wurden.
»Auch haben sich meine Glucken«, bei diesen Worten lächelte sie etwas, »redlich Mühe gegeben, etwas Abwechselung in Euer Mahl zu bringen.« -
Spankörbe wurden abgeladen, aus denen Stroh und Kleie quoll.
»Eier!« entfuhr es dem Majordomus, der einen der Körbe öffnete.

Die Baronin ließ es sich nicht nehmen, sich zwei Abende lang selbst davon zu überzeugen, daß ihr Wein den Edlen munde. Und manch einer sah wohlgefällig auf die doch recht jung erscheinende Frau, die ihrerseits die edlen Herrschaften unverhohlen musterte.

 

Einen Tag nach Baronin Selindes Abreise alarmierte das Hornsignal der Turmwache die horasischen Edlen ein weiteres Mal. Zwar glaubte keiner wirklich an einen Angriff, aber in diesen Zeiten wußte man nie ... Jeder ging im Geiste die Fehlenden durch. War Garena doch wieder aufgetaucht? Kehrte Rondarian schon aus Perricum zurück? Der Fouragierzug kam höchstens zweimal im Monat und war ja gerade erst dagewesen; Boten wurden mit einem anderen Signal angekündigt. Aber wer verirrte sich sonst zu den Überlebenden des »Zugs der Edlen«?

Halb neugierig, halb besorgt drängte Edler wie Gemeiner an Fenster, Zinnen, Schießscharten. Kurz entstand ein Tumult, als Brünnen und Lanzen in der Sonne aufblitzten, und auch als er sich gelegt hatte, verstummte das aufgeregte Gemurmel nicht. Es waren tatsächlich Fuhrwerke. Zwei an der Zahl, wie üblich eskortiert. Das Wappen: links der schwarze Rabe auf silbernem Grund, rechts nochmals geteilt, zwei Rinder im oberen Geviert, Wellenlinien auf dem unteren.

Der Inhalt der Ochsenkarren wurde erst im Burghof offenbar, als die schweren Planen zurückgeschlagen wurden: Fässer. Mit knapper Verbeugung überreichte der Hauptmann der Eskorte dem Herrn Schwarzenstamm ein Schreiben. Der überflog die Zeilen erst stirnrunzelnd, dann erhellte sich seine Miene zusehends, und schließlich lächelte er gar verschmitzt.
»Ich danke Euch, Hauptmann. Mein Bursche wird Euch zu Eurem Quartier geleiten. - Abladen!« kam darauf unvermittelt der Befehl zum bereitstehenden Gesinde. Dem Majordomus gab der Signor flüsternd einige Anweisungen.

 

Wiederum etliche Tage später, Anfang Travia, durchzogen lang vermißte Düfte die Burg - Braten! Frisches Brot! Am späteren Mittag wurde zum Traviadienst gerufen, und es machte schnell die Runde, daß es nicht nur dem Seelenheil förderlich sein möchte, zu diesem zu erscheinen. Zelebriert wurde er auf dem Burghof, um im Hintergrund auch das Gesinde zuzulassen, und manch einer schwitzte in der warmen Traviasonne unter einem Himmel, so blau wie die Wappenröcke in der fernen Heimat. Endlich sprach der Geweihte seinen abschließenden Segen. Doch das erleichterte Murmeln wurde alsbald wieder gedämpft; Signor Teucras de Solstono trat vor und gebot Stille.

»Werte Mitstreiter, ein jeder von Euch hat den Fuhrzug gesehen, der vor wenigen Tagen so überraschend bei uns eintraf. Ein jeder hat die Fässer gesehen, die ich wohl verwahren ließ. Und obgleich ihr Inhalt noch weit mehr Ruhezeit nach dem Gerumpele im Ochsenkarren vertrüge - die Zeiten sind unruhig, und ich mag selbst nicht länger mehr zuwarten. Doch vernehmt die eigenen Worte dessen, der uns die Fässer sandte - Barnhelms senioris von Rabenmund, des Grafen von Ochsenwasser!

»Edle des Horasreiches, die Ihr die Lieblichen Gefilde Eures Landes verließet, um auf dem grausigen Schlachtfeld wider den Schänder aller Göttergaben zu streiten! Euch entbiete ich meinen Gruß und meinen tief empfundenen Dank für Euer Opfer.
So bin ich doch umso betrübter über die Zeilen, welche jüngst im Sheniloer Hesindeblatte zu lesen waren, einen Ausspruch, den der edle Signor Randulfio Aurandis de Elmantessa««, leicht nickte hier der Vorlesende zu diesem hin, »»tat, nachdem er zuvor so wahrhaftig das Schicksal des 'Zuges der Edlen' - sein eignes Schicksal wie das Eure - geschildert hatte, so daß ich darob fürchten muß, daß auch diese Worte Wahres sprechen: 'Die Menschen verbrennen Bücher und Schriften, um im Winter nicht zu erfrieren.' Und: 'Eine Ratte zählt als Delikatesse und Essig als kostbarer Wein.'
So hoffe ich denn, daß der Inhalt meiner Fässer Euch zumindest für eine kurze Weile der Düsternis entreißen möge und Ihr sehen möchtet: nicht nur als Brennholz gelten uns Hesindes Gaben, nicht nur Hafermus schenkt uns Peraine, und auch Rahja gibt Travias Landen ihren Segen - und nicht nur Essig.
Mit Euch die Götter!««

Wie verwunderten sich da die Edlen ob dieser Worte und noch mehr, da Signor Teucras sie in die Große Halle lud. Da waren Tische und Bänke aufgebockt und gedeckt, so gut es eben ging, daneben aber waren drei der Fässer aufgestellt, die der Heermeister anzuzapfen befahl. - Und wahrlich! aus dem einen sprudelte schäumendes Bier in die Kanne, aus dem zweiten - »Ah!« - »Oh!« - rubinroter Wein, das dritte aber enthielt - nebst einigen Ausgaben des Landboten, des Sheniloer Hesindeblattes und vor allem des Bosparanischen Blattes - Schriften und Büchlein voll philosophischer Traktate und Poesie.

 

(Friederike Stein, unterstützt von Peter Diehn und Ralf Renz)

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