Numero 20 (Travia 1024 n.B.F. / 31 Hal / Juni 2001), S.15 |
- von Marianne C. Herdt -
Neukörne/Efferdstränen (AAS): Wie in jedem, so auch in diesem Jahr feierten die Einwohner der süddarpatischen Inselbaronie Efferdstränen die vom Nebelfest am 16. EFF bis zum Fischerfest am 30. EFF andauernde «Tempra Degrasija». Dieser altbosparanische Begriff bezeichnet die »Zeit des Dankens«, in der die Forren in zahlreichen Prozessionen zu den heiligen Stätten der Inseln, gemeinsamen Essen, Gebeten und Opfern ihren Dank an den Grauen Herren Phex und den Schutzgott des Forrischen Inselreiches, dem Stürmischen Herren Efferd erweisen.
Dieses Jahr wurden die Zeremonien der Tempra besonders innig begangen. Fast alle Familien, gleich ob Händler oder Fischer (wobei die Übergänge fließend sind), waren sich einig, daß die vergangenen zwölf Monde die besten seit den frühen Zwanziger Jahren gewesen waren.
Der wirtschaftliche Niedergang der »Tränen« begann wohl mit der Abholzung weiter Inselteile für den Schiffbau vor gut hundert Jahren. Nach einer kurzen Welle großer Gewinne gab es bald erste Verluste: Quellen versiegten, Weiden vertrockneten und Äcker wurden unfruchtbar.
Ein Erlaß gegen weiteren Holzhau brachte die Verarmung zwar zum Stillstand, erholt hat sich die Wirtschaft aber nicht mehr. Die meisten Forren ernähren sich seither hauptsächlich von den Gaben Efferds, vom Handel zur See oder von Heuern auf fremden Schiffen.
Während des großen Krieges erlitten nun viele Familien schmerzhafte Verluste an Leben und Vermögen, verarmten oder starben gar aus. Viele blieben, andere aber verließen die Inseln, um ihr Glück auf dem Festland zu suchen. Dörfer wie Gudja auf Effora oder Jerilack auf Berlenga wurden zu Geistersiedlungen (letztere im Wortsinne) und selbst Novkorene, einst eine blühende Hafenstadt und Zentrum des Forrischen Handels, ist heute ein verschlafenes Nest mit bröckelnden Bauten.
Doch obwohl die Gefahr aus und auf dem Meer noch nicht gebannt ist, nahm der Handelsverkehr im Golf seit dem Ende des Krieges wieder stetig zu. Die regelmäßige Versorgung von Beilunk und Ilsur, die neue Zuwendung Darpatiens zum Meer und die Wiederaufnahme des Seehandels mit den Landen in Firun und Praios führten sowohl in der Stadt Dergelmund-ob-dem-Meere als auch auf den benachbarten Inseln zu einer sich stetig verbessernden Handelsbilanz.
Geholfen hat hierbei sicherlich das Engagement des Gluckenhanger Kaufherrn C. K. Ochstantor, der den Forren zu einer neuen Einahmequelle verhalf: Seit alters her wird auf den »Tränen« ein eingelegter »Inselkäse« hergestellt. Erstaunlicherweise entspricht dieser keinem der üblichen gehandelten Käsearten, und auch die Rezepturen der (teilweise wirksamen) Kräutermischungen sind von Generation zu Generation überlieferte Geheimnisse. Herr Ochstantor erhielt im Gegenzug für diverse Hilfen das Handelsmonopol für diese würzige, in gut betuchten Kreisen als erlesen geltende und daher mit harten Dukaten bezahlte Delikatesse.
Ein weiterer Grund ist sicherlich in den fischreichen Küstengewässern der Inseln zu sehen. Obschon weite Teile des Golfes vom Unreinen beherrscht und darob kaum befischbar sind, hat Herr Efferd offenbar ein schützendes Netz eng um die Inseln geschlungen. So fangen die Fischer in einem Bereich von wenigen hundert Schritt Breite noch immer ausreichend Fische, finden die Taucher genug Muscheln und andere Efferdsfrüchte für den persönlichen Bedarf und den kleinen Handel.
Insbesondere letzteren hat auch der Kastellan Balian v. Imbert-Binsböckel, dem seit dem Verschwinden des letzten Vogtes die Verwaltung der Insel oblag, mit einer Reihe einfühlsamer und kluger Regelungen unterstützt. So wurden die Abgaben nicht mehr nach Köpfen, sondern nach Einkünften berechnet, die Weidenutzung im Bannkreis der Festungsanlage vollständig freigegeben und die gemeinnützige Arbeit an Quell-, Wall- und Küstenbefestigungen gefördert. Weiterhin gelang es der Festungsedlen Junivera v. Binsböckel durch intensiven Kontakt mit der Bevölkerung, die traditionell mißtrauische Haltung gegenüber Einwanderern abzumildern und damit die Wiederbesiedelung der Inseln zu fördern.
So mag es nicht verwundern, wenn neben dem diesjährigen Dank auch oft eine leise und etwas eigentümliche Bitte mitschwang: Möge der neue Herr Vogt [d.i. Zerber v. Mersingen] soviel Weisheit besitzen wie der Herr Kastellan bisher -- oder verschwinden wie der letzte.
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