Weil
Travia und damit die Gastlichkeit hoch in Ehren gehalten wird im Zoller Land, gibt es dort kaum Gasthäuser.
Zum einen besuchte man (bis
1020 n.B.F., versteht sich) einander unter Freunden oder Verwandten gern und oft, auch über weite Entfernungen.
So finden sich selbst in der kleinsten Kate immer noch ein paar Plätze und Decken für überraschende Gäste.
Zum anderen würde kein Zoller Fremde abweisen, die eine Mahlzeit oder Schlafstelle brauchen.
Hat er selber nicht genug, wird er zusehen, die Gäste bei Nachbarn unterzubringen.
Umgekehrt respektiert jeder Gast seinen Gastgeber, sieht zu, ihm nicht zu schaden, wird sich nicht beschweren, seine Hausregeln befolgen und nicht zu lange als Gast bleiben
(Richtlinie: Fremde eine Mittagsmahlzeit oder eine Nacht, Freunde vier Tage).
Das gilt selbst zwischen Adel und Volk:
«Die Adlige ist Herrin in ihrem Land, die Bäuerin in ihrer Hütte.»
Des Weiteren gilt die Familienhierarchie gleichermaßen für die Blutsfamilie wie für jede sonstige Gemeinschaft im Zoller Land: Mutter und Vater stehen der Familie vor, Meisterin und Meister dem Betrieb, Bäuerin und Bauer dem Hof, die Adligen - von der Ritterin bis zum Landgrafen bzw. zur Fürstin - dem Land. Sie bestimmen, was geschehen soll, tragen aber auch die Verantwortung für das Wohlergehen aller. Ältere Geschwister, Gesellen, Verwalter o. ä. gehen ihnen zur Hand, beraten sie und übernehmen einen Teil der Verantwortung. Jüngere Kinder bzw. einfache Untergebene schulden den Älteren und Eltern Gehorsam und haben ihre kleinen Aufgaben gewissenhaft zu erledigen, können dafür aber auch auf Schutz und Trost rechnen.
"Eltern" dürfen ihre "Kinder" strafen, auch körperlich züchtigen. Es soll aber immer ein Grund vorhanden sein und die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Wo das nicht mehr der Fall ist, können "ältere Geschwister" oder "Nachbarn" eingreifen bzw. um Hilfe gebeten werden. Oft fällt diese Aufgabe dem nächsten erreichbaren Geweihten oder Adligen zu, bevor reguläre Gerichte oder gar der Landgraf bemüht werden.
Ein weiteres travianisches Gebot im Zoller Land ist die ganz allgemeine Sorge für Hilfsbedürftige: «Wer hat, der hat zu geben.» Natürlich soll man dabei nicht selber verarmen, aber eine reiche Gutsherrin, die Bettler verjagt oder Leibeigene hungern läßt, ist bald ein Fall für den nächsten Geweihten oder Bittschriften an den Herrn Landgraf.
Ebenso wird auf «gute Sitte und Anstand» geachtet, auch wenn es einem Fremden angesichts bäuerlich-derber Sprüche und Gepflogenheiten nicht so scheinen mag. Mann wie Frau, Herrin wie Knecht sollen sich «züchtig kleiden», und uneheliche Kinder sind eine Schande. (Zu wenige eheliche allerdings auch.)
Liebe ist eine Sache für Bardendichtung, schöne Sagen und allenfalls noch das Jungvolk, in Ehe und Familie ist sie höchstens das Honigtröpfchen auf der Stulle: angenehm, aber nicht notwendig (und, wie manche ergänzen, im Übermaße ungesund). Eheleute oder Geschwister müssen einander nicht mögen, solange sie einander achten und beistehen. Eltern sollen ihre Kinder gesund und anständig großziehen, Kinder ihre Eltern ehren. (Üblicherweise duzen nur die Eltern die Kinder, während die Kinder umgekehrt ihre Eltern zeit ihres Lebens mit "Ihr" anreden.)
Ehen werden auch im Volk meist von den Eltern oder ggf. älteren (möglichst verheirateten) Geschwistern arrangiert. Dabei spielen körperliche Gesundheit und Eignung eine größere Rolle als charakterliches Zusammenpassen. Das schließt Liebesheiraten nicht aus, solange der oder die Erwählte nur «gesund und kräftig» ist, also: «gutes Matterjahl». Selbst Stand und Vermögen kommen erst an zweiter Stelle. Es kam schon vor, daß eine Baronin ihrer etwas kränklichen Erbin lieber einen stattlichen Knecht als Gatten verordnete als den schmächtigen Sohn des Nachbarbarons, damit «wenigstens die Enkel was werden».
Sowohl die eigenen, aus der Fremde heimgekehrten Sprosse als auch die von Freunden und Verwandten und erst recht etwaige künftige Ehegesponse werden durchaus derb und handfest vom gesamten Hausstand begutachtet, selbst im Adel: bei der Geburt, bei jedem Besuch, bei der «Einsegnung» mit etwa 12 Jahren, bei Antritt einer Knappschaft, bei Rückkehr aus einer solchen, beim Antrittsbesuch vor einer Verlobung ... So manches Eheversprechen ging schon in die Brüche, weil das Rommilyser Hoffräulein in der Familie des charmanten Ostenklotzer Junkersohns damit konfrontiert wurde, daß die Mutter des Angebeteten sich ihre Zähne besah, die alte Amme ihre «Euter» knetete und der alte Hofknecht was von «breiten Hüften - gut fürs Kalben» murmelte. Oder weil man dem Jungritter, den die Erbin sich ausgesucht hatte, ganz ungeniert ans «Gehänge» griff und einander zunickte: »Jo, der schafft seine siebene oder achte gut. Gute Wahl!» Umgekehrt ist ein angeborener körperlicher Schaden oder Anfälligkeit für Krankheiten häufig ein Grund, lieber den «besser geratenen» Sproß als Erben einzusetzen als unbedingt das erste Kind.
Vier gesunde Kinder sind gewissermaßen Pflicht für jedes Zoller Paar, mehr dürfen es gerne werden. Es werden ohnehin genug von ihnen vorm Heiratsalter («viermal vier Johr' sollen's schon sein, liwwer noch vier dazu») sterben.
Ehebruch wird (soweit entdeckt) hart bestraft. Allerdings gibt es Ausnahmen. So wurde eine verheiratete Meisterin freigesprochen, die sich mit ihrem ebenfalls verheirateten Gesellen eingelassen hatte, weil sie glaubhaft machen konnte, daß das nur «gesunder Kenderchen wegen» geschehen war, weil der eigene Ehegatte «nich mehr so konnte».
Uneheliche Kinder sind eine Schande. Zu rahjanischen Freuden heißt es: »Erst wird getraut, dann wird gesaut» oder wenigstens: »wenn schon gesaut, dann auch getraut». Für eine «lose Dirne» oder einen «geilen Bock» gelten die Regeln der Gemeinschaft nicht mehr, oft ohne Ansehen des Standes.
So verweigerte einmal eine Leibeigene ihrem Herrn Junker, der eine Jungmagd verführt hatte, trotz Unwetter Zugang zu ihrem Haus. Im folgenden Streit wurde ihr Recht gegeben. Erst als der Junker sie für die erhaltenen Schläge und Unbill entschädigt, die geschwängerte Magd anderswo in Dienst gebracht und öffentlich im nächsten Traviatempel «Buß' und Spende getan» hatte, galt er wieder als vollwertiger Herr. Die Geschwängerte, die sich weigerte, den für sie ausgesuchten Gatten zu ehelichen, wurde unter Schimpf und Schande davongejagt.
Etwas wie das «Ius primae noctis» würden die Zoller als zutiefst «orkisch», gar «daimonisch», eines Herrn jedenfalls absolut nicht würdig ansehen. Hagestolze und Ehepaare, bei denen allzu lange der Kindersegen ausbleibt, werden allerdings auch scheel angesehen und für verhext oder gar für Frevler gehalten. Bezeichnend ist dazu der Spruch: «Liwwer vier Monde zu früh als vier Jahre gar nix.»
Ausnahmen gelten in manchen Regionen für
Rahjadienst mit Rahjageweihten (von denen es im Zoller Land freilich nicht viele gibt) und für die «Freudigen Tage» Anfang Rahja, die allerdings auch nicht überall gefeiert werden.
Impressum -- Text © 2007 Friederike Stein und Marianne C. Herdt, Tbingen, Graphik & Layout © 2007 M. C. Herdt. Letzte Änderung: 2007-12-30