![[Dergelmunder Schiffsglocke]](../../DRGLMND/ARTIKEL/DS190_67.GIF)
| Numero 5 (Eff.-Hes. 1024 nBF / 31 Hal / 3./4. Quartal 2001), S.8: |
- von Friederike Stein -
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Neugierig sahen die Bewohner von Gansweg und Fischerviertel den Geweihten nach, die zum Boronsanger marschierten. Mutter Edlind trug das Gewand mit den schwarzen Säumen, das für Begräbnisse vorbehalten war, und vor der Kapelle des Schweigenden war das schwarze halbe Wagenrad aufgerichtet.
Agaronian Hebenstreit, Diener des Raben, und Donator Lumini Aitrecht Güldenfeld begrüßten die Ankömmlinge ernst, während Hauptmann Kaman ben Ismeth einige Stadtwächter im Rund verteilte und Schaulustige zurückhielt. Der Hafenmeister Jost Maselrich Peresen und die Schreiber schienen schon eine Weile lang zu warten.
Stirnrunzelnd betrachtete Taseco Efferdicas den Scheiterhaufen. Ein grobes dunkles Tuch bedeckte die kunstvoll geschichteten Scheite, reglos hingen kleine hölzerne Boronszeichen und eng bekritzelte Papierfetzen von seinen Enden herab. Noch am Vortag hatte er sich mit Hebenstreit über die Verbrennung gestritten, letztlich aber zugeben müssen, daß nicht nur das fürstliche Edikt [Erlaß wider nekromanthische Umtriebe, s. DL 3 - Anm. d. Ed.], sondern auch die Umstände, unter denen das Skelett gefunden worden war, eine solche ratsam scheinen ließ.
Schweigend traten die Geweihten an den Holzstoß heran. Zwei Hafenarbeiter hievten eine grobes Totenbrett hinauf, ängstlich bemüht, nicht das, was darauf unter einem Sacktuch verborgen lag, zu berühren.
Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit machte Aitrecht Güldenfeld, der sich an die Neugierigen wandte, nicht allzu viele Worte:
«Ihr alle wißt, daß Fährmeisterin Fuchsau im Frühling menschliche Überreste am Ufer des Darpat fand. Seine Gnaden Hebenstreit, der Ehrbare Herr Firunjason und Meister Zwackelfehr haben es auf sich genommen, den Fall zu untersuchen und konnten in der Tat einiges Licht ins Dunkel bringen. Leider blieb die Identität des Toten bislang verborgen. Das Nahen der Finsteren Tage läßt es nun jedoch angeraten erscheinen, die Leiche endlich dem Feuer zu übergeben. Mögen die Götter über ihn urteilen, wer immer es war. So sei es.»
«So sei es», fielen einige murmelnd ein.
Schweigend verharrte der Borongeweihte einen Moment vor dem Scheiterhaufen. Schweigend nahm Agaronian Hebenstreit von Meister Tarbulin eine Fackel entgegen, eine zweite hielt dieser selber in der Hand; bald leckten erste Flammen am Holz empor. Ein Windstoß fuhr von der See her herein und fachte das Feuer an.
Schaudernd wichen die Dabeistehenden zurück, als der Luftzug den Saum des Tuches hochwehte, als wolle es davontragen, was die Flammen auf dem Totenbrett freilegten. Wie mit grünem Schwamm und blauem Schimmel überzogen lagen die Knochen da und boten dem Feuer Widerstand. Brennende Späne lösten sich vom Holz und stoben davon, als mieden sie die Nähe des Leichnams.
Beunruhigt sahen die Schaulustigen, wie Mutter Edlind auf den Efferdgeweihten einredete, bis der sich endlich, mit deutlichem Abscheu, dem Feuer näherte. Efferdssegen murmelnd sprengte Hochwürden Efferdicas einige Tropfen Wasser aus einer aquamarinbesetzten Phiole über die Knochen. Qualm wallte auf, biß den Umstehenden in die Augen und verhüllte die Sicht. Kaum war der Bewahrer von Wind und Wogen von dem Holzstoß zurückgetreten, fuhr Wind in die Flammen, daß sie hoch aufloderten, nun auch das Brett und die Knochen erfaßten, die mit trockenem Knall zerbarsten.
Ernst nickte der Efferdgeweihte dem Ordensmagus von Rondras Zorn zu und hastete zum Strand, um sich von Rauch und Ruß zu reinigen.
Die übrigen Geweihten wachten bis zum Abend, während sich die Schaulustigen schon bald zerstreuten. Keinem fiel auf, wie einer sich bückte und etwas vom Boden aufklaubte, da, wo Glut und Funken niedergegangen waren, als die Knochen zerbarsten.
Der Holzstoß war längst zusammengestürzt, als ein Stadtwächter Alarm schlug: zwei seiner Kameraden, die beim Haus Hebenstreits hatten wachen sollen, lagen besinnungslos im Flur, die Tür stand einen Spalt weit offen. Der Borongeweihte stürzte ins Haus, düster nickend kam er zurück.
«Der Dolch.»
(FS)
Text © 2001 Friederike Stein, Tübingen, Graphik & Layout © 1999-2007 Marianne C. Herdt. Alle Angaben und Verknüpfungen ohne Gewähr. Datum der letzten Änderung: 2007-03-19 Die Bilder und Texte dieser Domain unterliegen den urheberrechtlichen Schutz und sind nur zur privaten, nichtkommerziellen Verwendung freigegeben. Jede Art der Reproduktion, sei sie manuell, mechanisch oder digital (Ausgenommen hiervon ist die Verwendung zur Ausgestaltung privater Rollenspielrunden) sowie Verbreitung in jeglicher Art unterliegt dem Einverständnis der jeweiligen Urheber.