[Dergelmunder Schiffsglocke]Numero 1 (Herbst-Winter-Frühling 1022 nBF / 29 Hal / Winter 2000), S.19:

Dergelmund

Literaturliste


Nepomuk Schwarz & Munk

Episode I: Die Ankunft

- von Elmar Wilde -

Kurzinformation:
Ort: Stadt Dergelmund-ob-dem-Meere
Zeit: 1022 n.B.F. /29 Hal (?)
Personen:
· Nepomuk Schwarz, Mechanikus
· Munk, sein Goblin
· Ein Fischer
· Tostwig Perninger, ein Taglöhner
· Mehrere Gaffer

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Das Ungeheuer lag im Sterben! Das Stöhnen und der rasselnde Atem ließen keinen anderen Schluß zu. Dennoch stand dem Fischer der Angstschweiß auf der Stirn, war er doch nur um Haaresbreite der Gefahr entgangen, die letzte Beute des sich im Todeskampf windenden Monsters zu werden. Zu plötzlich war jenes unbeschreibliche Wesen aus der nächtlichen Nebelbank aufgetaucht als daß er bisher über die Gefahr nachdenken hätte können, der er gerade entronnen war. Es war vermutlich einer jener Riesenkraken, die schon so manches Schiff in die Tiefe gerissen hatten, der nun selbst das Opfer eines noch größeren Räubers aus den Abgründen des Meeres geworden war. Je weiter diese Monstrosität achtern zurückblieb und ihre Konturen im Nebel verblaßten, desto freier konnte sein Herz wieder schlagen. Er würde zurück in den kleinen Hafen segeln, dort würde er ein Gebet sprechen, dann würde er in die kleine Schenke gehen und ein stärkendes Getränk zu sich nehmen. Er würde mit jemandem über das Erlebte reden und er würde die nächsten Tage nicht zum Fang hinausfahren, zu sehr steckte ihm noch der Schreck in den Knochen. Ja, das Alles wurde er tun, wenn er noch einmal davon kommen würde...

Wäre der Fischer noch eine Weile in der Nähe des Ungeheuers geblieben, dann hätte er neben den beunruhigenden Geräuschen vielleicht auch noch eine belegte Stimme gehört: "Wenn ich dich während deiner Wache nochmals beim Schlafen erwische, dann trete ich dir dermaßen in deinen Furunkel-Hintern, daß dir die Fischsuppe vorne raus spritzt! Hast du das verstanden, du nichtsnutziger Tagedieb?"

Es würde einer der letzten schönen Herbsttage werden. Die Sonne sandte gerade ihre ersten goldenen Strahlen über das Wasser des Golfes, das in einem weichen Azurblau erstrahlte. Um diese Zeit war es noch still im Hafen von Dergelmund. Die Fischer waren noch draußen mit ihren Booten und die restliche rechtschaffene Bevölkerung drehte sich noch einmal in ihren Betten um.

Ein einzelner Mann kam, sich streckend und herzhaft gähnend hinter einem Fässerstapel hervor. Er rieb sich die schlaftrunkenen Augen und trat an den Rand des Anlegesteges, wo er, ohne sich um seine ümgebung zu kümmern, mit der Morgentoilette begann. Hätte er seinen Blick auf das reflektierende Wasser des Flusses gerichtet, so wäre ihm sicher sofort jenes seltsame Gefährt aufgefallen, das sich der nämlichen Pier (Landungsbrücke) näherte, auf der er sich befand. Und merkwürdig war es wirklich, es schien sich dabei um eine Art Schiff zu handeln, kaum größer wie einer jener Flußkähne, die der Mann belud um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aber bei der Größe hörte jede Ähnlichkeit mit Schiffen, die in diesen Gewässern fuhren, auf.

Es schien so, als wäre sich der Konstrukteur nicht sicher gewesen, welche Art von Antrieb er verwenden sollte, und so schien er jeden ihm bekannten und auch weniger bekannten eingebaut zu haben. Seitlich ragten Ruder über eine der Bordwände heraus, ein Mast führte ein merkwürdig ovales Segel, ein zweiter Mast schien auf der Hälfte seiner Höhe abgebrochen zu sein und schließlich befand sich noch eine Art Mühlrad an der Seite des Gefährts. Aber damit war längst noch nicht alles Sonderbare aufgezählt, was zu sehen war. Der Rumpf oder besser die Rümpfe, denn es schien drei davon zu geben, waren mit kleinen Brücken miteinander verbunden und dazwischen sah man weitere Mühlräder. Die Aufbauten, wenn man von so etwas sprechen konnte bildeten ein heilloses Wirrwarr aus gespannten Seilen, zeltartigen Gebilden aus Schilfmatten und diversen Holzstämmen, die kreuz und quer über die Rümpfe hinausragten.

Tostwig bemerkte das "Schiff" erst, als es unmittelbar vor ihm aufragte und kurz darauf mit einem lauten Quietschen und Stöhnen an dem Holzsteg entlang scheuerte. Die Fels in der Brandung III riß einen Teil des Steges mit, verhängte sich dann darin und kam mit einem letzten Ruck zum stehen, der eine jener Brücken zu den kleineren Rümpfen zerbrach.

Noch immer stand der Hafenarbeiter mit offenem Mund und Hosenstall auf den Resten des Anlegestegs und versuchte zu verstehen, wovon er gerade Zeuge geworden war, als sich an Bord etwas regte.

Ein recht zerlumpt gekleideter, sonnenverbrannter Zwerg mit schwarzem Bart und Haar rappelte sich unter einem Haufen umgestürzter Schilfmatten hervor. Sein Gesicht war zornesrot gefärbt und er schrie jemanden am Heck des Schiffes, den man nicht sehen konnte, an: "Wenn ich sage, du sollst bei dem Steg rechts stehenbleiben, dann heißt das zum Kuckuck noch mal nicht, daß du da wie ein wild gewordener Rammbock hineinbrettern sollst! Und komm mir jetzt nicht wieder mit diesem hirnverbrannten Scheuermilch-und-Backpulver-Blödsinn! Sieh dir lieber an wie du die Verstrebungen zugerichtet hast. Das erste Land seit zwei Monaten und du bügelst es über den Haufen!"

Der Zwerg, der seinen Redefluß unterbrochen hatte, um weitere Schäden zu begutachten, bemerkte den Zuschauer und die Zornesröte wich ein wenig aus seinem Gesicht und machte einem neugierigen Lächeln Platz: "Öh, sagt mir mein Freund, ihr kennt nicht zufällig den Namen dieses schönen Hafens?"

Es dauerte einen Moment, bis Tostwig schaltete und sagte: »Oh, äh, ja Herr, die Stadt heißt Dergelmund."

Eine Falte bildete sich auf der Stirn des Zwergen. Mit erwartungsvollem Unterton fragte er weiter. "Dergelmund sagst du. Hm, das liegt wohl recht nahe bei Havena oder?".

Tostwig war verwirrt, sicher er hatte schon von Havena gehört, aber die Seeleute, die von dieser Stadt gesprochen hatten, hatten etwas von einer langen und gefahrvollen Reise gesagt. »Nein Herr, ich glaube Havena liegt sehr weit von Dergelmund entfernt. Wie weit weiß ich allerdings nicht."

Die Anzahl der Falten auf der Stirn des Zwergen hatte sich bei diesen Worten rapide vermehrt. Er wandte sich wieder dem Heck zu: "Hast du das gehört Munk? Du bist wahrscheinlich der unfähigste Steuermann, der jemals die Meere bereist hat. Wir sind sonstwo herausgekommen und du hast mir die ganze Zeit weis machen wollen, du wußtest wo wir lang müssen!" Mit diesen Worten hatte sich der Zwerg in Bewegung gesetzt und rannte auf das Heck zu.

Nun wurde auch sein Gesprächspartner sichtbar. Ein kleiner, abgemagerter, halbnackter Goblin, nicht weniger gebräunt wie der Zwerg, sprang seitlich an seinem Verfolger vorbei und kletterte behende den noch vorhandenen Mast hoch, wo er sich festklammerte.

Unten tobte der Zwerg. "Komm sofort runter da, damit ich dir das Fell über die Ohren ziehen kann. Wenn ich dich erwische mache ich Frikassee aus dir, du lausiger Mistgoblin! Ich hacke gleich den Mast ab!"

Der Goblin zuckte während jeder weiteren Schimpftirade zusammen, machte aber keine Anstalten sich nach unten zu begeben. Nach einiger Zeit bemerkte der Zwerg, daß sich mittlerweile eine Reihe von Zuschauern an der Pier eingefunden hatten, die nun gebannt dem seltsamen Schauspiel folgten, das sich ihnen auf dem Schiff bot.

Der Zwerg wandte sich der Gruppe am Ufer zu, ohne den Goblin weitere Beachtung zu schenken, was dieser nutzte, um sich behende an einem Seil herunterzulassen und in dem Gewirr der Aufbauten zu verschwinden. "Gute Leute, gibt es hier wohl so etwas wie einen Bootsbauer, oder vielleicht sogar eine Werft?"

Die Leute schauten ein wenig verdutzt, schließlich antwortete Tostwig: »Naja, gleich hier an der Flußbiegung ist die Schiffszimmerei Blankenvoss. Ich kenn den Mijam Blankenvoss.

Der Zwerg schien kurz nachzudenken, blickte sich dann noch einmal auf der Fels in der Brandung III um, die mittlerweile ein wenig Schlagseite bekommen hatte und sagte: "Ähm, könntest du mich dorthin führen?"

Tostwig, der die Möglichkeit sah, sich ein Frühstück zu verdienen, sagte sofort zu.

Als der Zwerg Anstalten machte, mit einem Sack beladen auf die Pier empor zu turnen, begann die, bislang sehr unschlüssig wirkende Gruppe, zu der sich mittlerweile weitere Frühaufsteher hinzugesellt hatten, zu tuscheln. Schließlich erhob einer von ihnen die Stimme: "Ihr, äh, habt den Anleger kaputt gemacht, äh! Das wird den Hafenmeister nicht besonders freuen!"

Es wurde still auf der Pier. Der Zwerg war mittlerweile oben angekommen und hatte sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet. Selbst in seiner derzeitigen Aufmachung machte er einen selbstsicheren Eindruck und fuhr in einem Tonfall fort, der keinen Widerspruch zuließ: "Nun, es versteht sich von selbst, daß ich den angerichteten Schaden reparieren werde, sagt das eurem Hafenmeister. Jetzt werde ich aber zunächst einmal mit dem Schiffszimmermann sprechen, schließlich ist mein Schiff ebenfalls beschädigt."

Nach unten gewandt und in einem wesentlich lauteren Tonfall fuhr er fort: "Munk! Wo steckst du Nichtsnutz? Du befestigst das Schiff hier, so daß es nicht weiter absinkt und räumst, bis ich wieder komme, den Saustall hier auf, den du verursacht hast! Wehe ich erwische dich nachher beim Faulenzen, dann werde ich dich Bugholen bis dir das Wasser aus deinen zerfransten Ohren herauskommt!"

Die Gruppe wich unentschlossen zur Seite, als der Zwerg sich mit Tostwig entfernte.

Als die beiden einige Schritte weit fort waren kam der Goblin aus seinem Versteck gekrochen und fing an unkoordiniert Taue an den unversehrten Pfosten der Pier zu befestigen. Die Männer auf der Pier sahen eine Weile und beschlossen dann, daß es sicher interessant wäre, die Reaktion des Hafenmeisters zu sehen, wenn er über die jüngsten Ereignisse unterrichtet werden würde.

Dergelmund hatte ein neues Stadtgespräch ...

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Der Nepomuk Schwarz & Munk-Zyklus:

Dergelmunder Schiffsglocke Nro. 1 (Herbst-Frühling 1022 nBF /Winter 2000)
Dergelmunder Schiffsglocke Nro. 2+3 (Fir.-Phe. 1023 nBF /1. Quartal 2001): Inhaltsangabe
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