[Dergelmunder Schiffsglocke]Numero 1 (Herbst-Winter-Frühling 1022 nBF / 29 Hal / Winter 2000), S.21:

Dergelmund

Literaturliste


Nepomuk Schwarz & Munk

Episode II: Der Teilhaber

- von Elmar Wilde -

Kurzinformation:
Ort: Stadt Dergelmund-ob-dem-Meere
Zeit: 1022 n.B.F. /29 Hal (?)
Personen:
· Nepomuk Schwarz, Mechanikus
· Munk, sein Goblin
· Mijam Blankenvoss, Schiffszimmermann

~o~

Mijam Blankenvoss sah aus dem Fenster des kleinen Hauses und ließ den Blick über die kleine Werft schweifen. Seine kleine Werft. Noch zumindest.

Er stand vor einer schweren Entscheidung. Wie viele Jahre waren vergangen, seit sein Großvater beschlossen hatte, nicht mehr auf Fang zu fahren und sich seinen Lebensunterhalt mit der Reparatur von Fischerbooten und Lastkähnen zu verdienen?

Der alte Oliam Blankenvoss hatte es verstanden, sich Aufträge zu verschaffen, er hatte das Grundstück erworben und mit einem kleinen Steg, angefangen. Später war ein Slip (FN: Aufschleppe) dazugekommen, dann der Werkzeugschuppen, das Bootshaus und schließlich war er mit seiner Familie in das Wohnhaus gezogen, an dem von da an das Schild mit der Aufschrift: "Blankenvoss Schiffszimmermann" hing. Ja, sein Großvater hatte das Schild dorthin gehängt und auch als sein Vater Jorek Blankenvoss das Geschäft übernahm blieb es an seinem Platz.

Jorek hatte sich nicht mehr nur mit Reparaturen zufrieden gegeben, nein er hatte eine eine Ausbildung bei seinem Vater genossen und fühlte sich dazu berufen neue Schiffe zu bauen. Er begann mit kleinen Ruderbooten, versuchte sich an kleinen Fischerbooten und konnte schließlich einige Aufträge für Flußschiffe bekommen, von denen viele noch heute ihren Dienst versehen. Jorek erweiterte schließlich das Grundstück um einen weiteren Anleger, und einen Slip.

Mijam dachte an seine Kindheit auf der kleinen, geschäftigen Werft Es war das schönste, woran er sich erinnern mochte. Der Geruch nach harzigem Holz und Farbe, das Spielen in den Hobelspänen, das Angeln vom Anleger, es war herrlich gewesen! Mijam hatte Schnitzen und Zimmern gelernt und half viel bei der Reparatur und dem Bau von Booten. Sein Vater erklärte im alles und freute sich, wenn Mijam ihm half.

Vielleicht wäre alles so geblieben, dachte Mijam, wenn der Auftrag für die neue Fähre an uns, anstatt an Vitus Prutz gegangen wäre. Sicher, in einem kleinen Hafen wie Dergelmund ist jeder Bootsbauer des anderen Konkurrenten, dennoch geht man freundlich miteinander um, aber bei einen städtischen Auftrag, mochte niemand der Verlierer sein, es ging schließlich ums Ansehen.

Jorek kam damals stinkwütend von der Vergabe zurück und schrie etwas von Bestechung und Betrug. Er hatte entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten getrunken und weckte die ganze Nachbarschaft mit seinem Geschrei auf. Schließlich gelang es Mutter, ihn ins Bett zu stecken, bevor er von den Bütteln (FN: Gemeint sind die Dergelmunder Hafenwachen) in Ausnüchterungshaft genommen wurde.

Von diesem Tage an war Jorek nicht mehr mit sich und der Welt im Reinen. Er ging öfters in die Taverne (FN: Hafentaverne Zum rostigen Anker), begann erst spät mit der Arbeit und beklagte sich bei Jedem, wie schlecht die Weit im Allgemeinen und die Menschen im Besonderen waren. Auch mit der Werft lief es nicht mehr so recht, da die Aufträge spärlicher wurden und die Zeiten allgemein nicht mehr so rosig waren.

Dann, an einem nebligen Herbstmorgen, geschah der Unfall, der das Glück unserer Familie gänzlich zunichte machte. Jorek hatte den Auftrag für einen Flußkahn bekommen und der Rumpf war schon weit fortgeschritten. Schwer zu sagen, was nun genau Schuld gewesen war, wir hörten nur den Schrei und fanden Vater schließlich erschlagen unter dem umgestürzten Mastbaum, der am Tage zuvor eingesetzt und provisorisch befestigt worden war.

Nun, was passierte dann? Mijam übernahm die Werft, aber er fühlte sich nicht im Stande, neue Schiffe zu bauen. Er war ein guter Schiffszimmermann und konnte jede Reparatur zur vollsten Zufriedenheit seines Vaters ausführen, aber selber ein Schiff entwerfen und dann bauen, davor schreckte Mijam zurück, soweit war er noch nicht.

Seither waren drei Jahre vergangen und mit der Werft stand es nicht zum besten. Er hatte Schulden machen müssen, und die Auftragslage hatte sich noch verschlechtert. Wenn er so weitermachen würde, dann würde man ihn im Frühjahr die Werft enteignen und er müßte sich irgendwo als Schiffszimmermann verdingen. Womöglich auf einem Schiff weit weg von seiner Mutter, die auf seine Hilfe angewiesen war, da sie den Tod Joreks nicht sonderlich gut verkraftet hatte.

Mijams Blick schweifte nochmals über das von Schnee bedeckte Werftgelände. Sein Blick blieb an den Resten jenes seltsamen Schiffes hängen, mit dem dieser Zwerg Nepomuk in seinem Leben aufgetaucht war. Sie hätten es mit einem Fuhrwerk zur Helling (FN: Bauplatz für Schiffsneubauten, der zum Wasser hin geneigt ist) geschleppt und es an Land gezogen, dabei waren weitere der beschädigten Verstrebungen gebrochen. Die Rümpfe waren zerfressen von Bohrwürmern und reichlich morsch. Mijam glaubte nicht, daß dieses seltsame Gefährt jemals wieder zur See fahren würde.

Mijam dachte an den ebenso seltsamen Besitzer, mit seinem noch sonderbareren Diener. Was für merkwürdige Existenzen brachten diese schweren Zeiten doch nach Dergelmund! Nun, dieser, Nepomuk hatte sich, nachdem sein Schiff in Sicherheit war, bei Hafenmeister Peresen entschuldigt und sich an den Wiederaufbau der Pier gemacht.

Einige Tage später, es heißt, er sei mit der Fähre nach Perricum übergesetzt, kam er mit einem verschwörerischen Gesichtsausdruck und einem großen Beute1 mit Dukaten zu Mijam. Ohne Umschweife erklärte er, daß er sich für eine Weile in Dergelmund ansiedeln wolle und, da er sich für den den Schiffbau interessiere, gerne mit einem hiesigen Bootsbauer zusammentun wolle. Er habe von den finanziellen Problem der Blankenvoss Familie gehört und sei bereit, einen geeigneten Geldbetrag in das Unternehmen zu investieren, um im Gegenzug Teilhaber zu werden. Mijam würde sich um den Betrieb der Werft kümmern und Reparaturen durchführen. Nepomuk wollte Studien betreiben und bei Neubauten sollten sie zusammenarbeiten. So sah der Plan des Zwerges aus.

Mijam war zunächst sprachlos gewesen. Was für einen Streich spielte ihm das Schicksal hier' Zwerge waren keine Bootsbauer, und doch, dieser hier schien eine Ausnahme zu sein, immerhin die Reparatur der Pier schien zufriedenstellend abgeschlossen worden zu sein und mit der Fels in der Brandung III hatte er zumindest eine Weile auf dem Wasser zugebracht. Mijam verkniff sich zu fragen, was aus den beiden ersten Fels in der Brandung geworden war. Schließlich rang sich Mijam dazu durch, dem Zwerg eine Frage zu stellen: "Aber könnt ihr überhaupt Schiffe bauen?" Darauf hatte Nepomuk geantwortet: "Schiffe bauen ist wie Häuser bauen, man baut das Dach nur falschrum unten dran!" Mijam hatte nichts mehr erwidert. Nepomuk Schwarz hatte ihn mit dem Beutel allein gelassen und ihm zwei Tage Bedenkzeit eingeräumt.

Heute Mittag würde er kommen und eine Antwort erwarten. Mijam war unsicher. Sein Blick fiel auf das Schild: Blankenvoss Schiffszimmermann, es war ein wenig ausgebleicht. Wenn er das Geld annahm, was zur Tilgung seiner Schulden reichen würde, dann würde dort bald stehen; Blankenvoss Schiffszimmermann und Teilhaber. Was würde sein Großvater, oder sein Vater getan haben?

Der Beutel wog schwer in seiner Hand. Er hatte einen Entschluß gefaßt.

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Der Nepomuk Schwarz & Munk-Zyklus:

Dergelmunder Schiffsglocke Nro. 1 (Herbst-Frühling 1022 nBF /Winter 2000)
Dergelmunder Schiffsglocke Nro. 2+3 (Fir.-Phe. 1023 nBF /1. Quartal 2001): Inhaltsangabe
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