Literatur: Material aus dem und für das Rollenspiel

Kurzinformation:

Ort: Burg Hallingen, Nord-Darpatien (Wildermark)
Zeit: Tsa 1029 n.B.F. (36 Hal)
Personen:
- Eslam "Valpolaio" Borsino, Scholar des "Nassen Fuchses" kurz vor der Weihe
- Zedrik Winterfall, Scholar des "Nassen Fuchses" im ersten Jahr.
- Eine Gruppe fremder Helden
Hintergrund: ...

Abenteuer in Hallingen (IV)

Was einem des Nachts
auf fremden Burgen passieren kann

- von Marianne C. Herdt -

Der Raum lag im Dunkeln, das kleine Talglicht war noch zur Nachtruhe abgeschirmt, durch die Ritzen des Fensterladens drang kein Schimmer.
   Lautlos öffnete sich die Tür. Das blasse Licht der wenigen, heruntergebrannten Fackeln auf dem Gang verdunkelte sich. Eine kleine Gestalt schlich durch die Öffnung, schloß die Tür, sorgfältig jedes Geräusch vermeidend. Dann drehte sie sich um, verharrte, lauschend, die Augen an das Dunkel gewöhnend.
   Eslam atmete weiter die langsamen Züge eines Schlafenden, beobachtete unter fast geschlossenen Lidern die Bewegungen den Raum.
   Die Gestalt, gut erkennbar an einer besonderen Konzentration von Dunkel im Dunkel, erspürbar an der bewegten Luft, näherte sich vorsichtig den Betten.
   Eslam erkannte die Gestalt; an der Art des Dunkels, an der Art der Bewegung und am Geruch. Statt zum anderen Bett zu gehen, näherte sich die Gestalt Eslams Schlafstatt. Ärger stieg in ihm auf, als er im vertrauten einen fremden Geruch wahrnahm.

"Wo warst Du?" Zedrik zuckte zusammen. Offenbar fühlte er sich ertappt. Gut so. "Du bist seit Stunden nicht im Bett gewesen."

"Si ..."

"Du riechst nach Gras."

"Si. Aber ..."

"Und Equus." Eslam betonte den von ihm verwendeten Begriff für 'Pferd' besonders vorwurfsvoll.

"Si. Eslam, ..."

"Du weißt, daß wir früh aufstehen müssen! Warum treibst Du Dich also in den Ställen herum?"

"Weil ... Das will ich Dir ja erzählen!"

"Geh' ins Bett. Wir reden später." Eslam drehte sich, deutlich mit der Decke raschelnd, weg. "Bon nocte."

Zedrik starrte auf das Bett, oder besser, in das Dunkel, wo er Eslams Bett wußte. "Es ist aber wichtig!" Er tastete nach der Schulter des Älteren und rüttelte. "Eslam! Frer! hör' doch!"

Eslam seufzte und setzte sich auf. "Was ist denn so wichtig?"

"Ich war nicht in den Ställen! Da waren Fremde, die haben mich entführt!"

"Que? Was für Fremde?" Eslam langte zum Talglämpchen, hob den Schirm weg und schob den Docht höher. Blakend wuchs das Flämmchen einen Finger hoch. Zweifelnd sah der Scholar seinen Schutzbefohlenen an. "Erzähle!"

Zedrik setzte sich auf die Kante seines Bettes.
   "Alor. Also, das war so: Ich mußte, da hast Du auch schon geschlafen, aber groß, nicht klein, also bin ich raus, wollte zum Erker von den Wichtigtuern, weil, da kann man dabei die Sterne angucken. Also den Gang lang, die Treppe rauf, dann leise an den Wachen vorbei, alles kein Problem. Aber oben, bei den Zimmern, wo die Barons und Ritters und so schlafen, da, wo's so viele Gänge zur Seite gibt, Du weißt schon, da hab' ich plötzlich was gesehen."

"Eine Mus?"

"No. Da lief jemand ohne Licht, ganz arg bedacht, leise zu sein. Erst dacht' ich, mir würd' da einer den Erker besetzen, da ist mir die Grille schon malad geworden, weil, wenn die da sind, dann dauert das immer ewig. Aber dann hab' ich gesehen, daß das mehrere sind, vier sogar, alle ohne Licht. Erst hab' ich mich gefragt, wie die alle zusammen in den Erker wollen, da passen doch nur drei rein, aber dann sind die garnicht zum Erker, sondern zur Seite, und da hab' ich vergessen, daß ich mußte, und bin denen nachgeschlichen.
   Das hat dann ziemlich gedauert, weil sie sehr vorsichtig waren, aber wohl nicht genau wußten, wohin sie wollten, oder sich nicht auskannten. Sie haben jedenfalls an vielen Türen haltgemacht, gelauscht und sind dann weiter. Erst war das ganz spannend, weil ich ja wissen wollte, wohin sie denn nun wollen, und Du sagst ja auch immer, man lernt auch, wenn man anderen nur zusieht. Aber als wir schon zweimal an derselben Stelle vorbei waren und sie wieder den gleichen Weg nahmen, dachte ich, da kann ich den Weg auch gleich abkürzen, und bin da geblieben, nur halt im Gang daneben. Und dann hab' ich gewartet.
   Sie kamen aber nicht wieder, und ich wurde mit mir böse, weil ich so eine Dummheit gemacht und sie verloren habe. Also hab' ich das Warten bleiben lassen und bin zum Erker, weil das dringend wurde, und hab' mir die Sterne angeguckt."

"Und wer hat Dich nun entführt?" Eslam gähnte. Wer tags arbeitete, sollte nachts keine langen Geschichten hören müssen.

"Warte doch! Alor, ich war schon auf dem Weg zurück, als ich - wieder an derselben Stelle! - die Leute wiedersah. Blöderweise haben sie mich auch gesehen. Da hatten sie mich."

"Wie? Bist Du nicht weggelaufen? Ich hab' Dir doch gezeigt, wie man sich in Gebäuden versteckt?"

"No! Ich sah sie, und sie sahen mich, und jemand zeigte auf mich und fin. Als ich wieder aufgewacht bin, lag ich im Stroh, und um mich herum standen die vier Fremden und sogar noch einer mehr. Jetzt krieg' ich langsam Durst vom Erzählen."

"Wo war das denn? Wie sahen sie denn aus?" Eslam mochte die Geschichte noch immer nicht ganz glauben. Irgendwelche Fremde, die einen Jungen ungesehen vom Herrschaftstrakt aus der Burg heraus entführen konnten und ihn dann wieder entkommen ließen - das war doch sehr unwahrscheinlich.

"Weiß nicht, wo. Aber sie waren sehr nett zu mir. Da war eine Elfe dabei, stell' Dir vor! Die hat sich meinen Kopf angesehen, da hab' ich nämlich eine Beule, und allerlei Nettes gesagt, wovon ich aber nicht viel verstanden habe, irgendwas von einem Baldachin und Kräutlein, die ich drauflegen solle, wenn ich wieder in die Küche käme. Und eine hübsche Frau, die sich mit einem Mann mit Kutte und Stab gestritten hat, wegen irgendeiner verpatzten Sache. Worum es ging, weiß ich nicht, weil Alrik, so hieß der größte der Männer, gesagt hat, sie sollen sich nicht zanken, und da waren sie still.
   Alrik ist wohl der Anführer, weil, er hat das größte Schwert und eine Rüstung und wenn er was sagt, sind alle anderen still. Und er ist richtig groß und stark.
   Und dann war da noch ein Zwerg, bestimmt kein Lorgoloscher, aber der war auch nett zu mir. Er hat mir was zu essen gegeben, weil, wenn man sich erschreckt hat, hat er gesagt, dann braucht man was in den Magen. Es war aber nicht so gut wie die Reste, die wir hier kriegen, nur grobes Brot und schlecht gebratenes Fleisch, aber das hab' ich ihnen nicht gesagt, weil ich sie nicht ärgern wollte.
   Daß sie mich mitgenommen haben, hat ihnen ganz arg leid getan, und sie haben sich ganz arg um mich gesorgt und allerhand gefragt ... so viel, daß ich gar nicht mehr weiß, was alles. Und sie haben mir gesagt, daß es gefährlich auf der Burg ist. Elder Frer, wir sind in Gefahr! Wir müssen weg! Meine neuen Freunde haben gesagt, daß hier ein Kitzlinger herumläuft!"

"Ein Quitslinga?" Eslam war schlagartig hellwach.

"Ja, genau, so hat Brin gesagt."

"Wer ist Brin?" Draußen vor dem Fenster zirpte ein früher Vogel seinen Morgengruß.

"So heißt der mit dem Stab. Der sich mit Emer gezankt hat. Brin ist Akademiker und weiß ganz viele fremde Worte. Aber er erklärt nicht gut. Alrik hat mir das Ganze ausführlich erklärt und gesagt, ich soll es Dir erzählen, damit wir beide so bald wie möglich weggehen können. Ist noch Wasser da?"

"Ähm, Emer ist wohl die 'hübsche Frau'?"

"Ja, doch, das hat Brin gesagt. Aber jetzt hör doch mal!"

"Ja doch, ich höre ja."

"Alor. Hier in der Nähe wohnt einer, der ist ein Frer oder naher Fedja von der Familia von dem Baron Bernfritt oder Bernfried. Du weißt, das ist der, mit dem dieser nette Ritter immer rummacht, Arnhelm oder Ansel oder so. Und der, also der Fedja hat gemerkt, daß der Bernfritt gar nicht der echte Bernfritt aus seiner Familia ist, weil der nämlich tot ist, sondern daß das ein gefährlicher Kitzlinger ist und dieser Ritter Amsel oder Ashelm oder so jetzt in großer Gefahr ist. Stell Dir mal das vor: Nichtmal wir haben das gemerkt!
   Und weil sich der Fedja um seine Familia sorgt, aber selber nichts machen kann, hat er meine neuen Freunde angeheuert, diesen Kitzlinger zu töten, damit der den A..., den Ritter und alle anderen, die um den angeblichen Bernfried rumlaufen, nicht auch noch umbringen kann. Weil die nämlich richtige Helden sind, die auch schon andere Bestien besiegt haben. Und das stimmt, hat Alrik gesagt. Ist noch Wasser im Krug?"

"Soso. Hat Alrik gesagt." kommentierte Eslam, während er sich nach dem Fenster umsah. Zartrosa Streifen zeichneten sich im Schwarz des Holzladens ab.

"Si. Und vorhin waren sie schon drauf und dran, den Kitzlinger zu erwischen, als ich aufgetaucht bin. Da mußten sie mich natürlich erstmal retten. Also hat mich Rohaja einschlafen lassen ... und den Rest kennst Du ja jetzt."

"Rohaja ...?"

"Die Elfe. Die kann nämlich niemand was zuleide tun. Das ist natürlich nicht ihr echter Name, weil, den kann man nicht aussprechen, hat Brin gesagt, sondern der für Menschen. Das ist wie bei Cecilia oder Kribbit bei uns zu Hause. Reichst Du mir mal den Krug?"

"Ja, aber wie bist Du wieder zurückgekommen?"

"Na, genauso, wie raus. Sie haben mich einschlafen lassen und bis in die Burg gebracht. So kann ich nämlich bösen Leuten nicht verraten, wo meine Freunde sind, und damit sind sie und wir in Sicherheit. Ganz in der Nähe vom großen Eingang bin ich dann aufgewacht ..." Zedrik rutschte vom Strohsack und angelte sich die Waschkanne.

"Eine Elfe namens Rohaja, eine hübsche Frau namens Emer, ein Mann namens Brin, ein Anführer namens Alrik und ein Zwerg ohne Namen. Die heimlich in fremde Burgen eindringen. Zedrik, das ist ein ausgemachter Schwindel! Wir müssen das sofort jemandem sagen! Aber wem ...? Ah, ich hab's! Der Fedja der Seegansmutter ist doch auch hier ... Komm, wir gehen zu ihm!" Eslam sprang auf und zog sich die Überkleider an.

"Seegans?" Zedrik blinzelte den Älteren müde an. "Wer?"

"Dieser Magister Dannwolf, der sich damals das Ding von der Admiralissima angesehen hat ... warte, ähm, das war anno 10-26, vor zwei Jahren. Was tust du denn da?"

Zedrik trank genüßlich die letzten Schlucke Wassers aus der kleinen Kanne. Sichtbar übernächtigt sah er Eslam an: "Aber wehe, der tut meinen Freunden was! Dann kriegt er Ärger mit meinen Fedjas!"

Eslam verdrehte die Augen. "Mio dies! Komm jetzt!"


Erzählungen "Abenteuer in Hallingen"

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Impressum -- Text, Graphik & Layout © 1999-2007 Marianne C. Herdt, Tübingen. Quelle: Briefspiel. (From: M. C. Herdt, Date: Wed, 4 Oct 2006, Subject: Kriegsrat - Quitslinga-Jagd: Wie alles anfängt). Die Bilder und Texte dieser Domain unterliegen den urheberrechtlichen Schutz und sind nur zur privaten, nichtkommerziellen Verwendung freigegeben. Jede Art der Reproduktion, sei sie manuell, mechanisch oder digital (Ausgenommen hiervon ist die Verwendung zur Ausgestaltung privater Rollenspielrunden) sowie Verbreitung in jeglicher Art unterliegt dem Einverständnis der jeweiligen Urheber. Letzte Änderung: 2007-07-30.